Campact: Atmen verschiebt man nicht

7.10.2017   Grün-Schwarz verhindert, dass das Saubere-Luft-Urteil aus Stuttgart sofort wirksam wird. Stattdessen droht ein weiterer Stickoxid-Winter im Diesel-Ruß – immerhin gibt es einen Teilerfolg: Die Hinhaltetaktik der CDU geht offenbar nicht auf. Ein weiterer Stickoxid-Winter für die Menschen in Stuttgart und anderen Ballungsgebieten?

Ja und nein. Die Landesregierung hat letzten Montag entschieden, gegen das Saubere-Luft-Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart Revision einzulegen. Fazit: Das wirkliche Ziel – die Anerkennung des Urteils – haben wir nicht erreicht. Dafür haben wir das ganz schlimme Ergebnis verhindert – das wäre ein langer Gang durch die Instanzen gewesen. Wichtig, denn: In dieser Zeit wäre die Luft weiter vollgedieselt worden.

Die CDU wollte der Auto-Industrie gefällig sein und wirksame Maßnahmen gegen Stickoxide in einem jahrelangen Rechtsstreit verhindern. Durch die jetzt beschlossene Sprungrevision geht es schneller. Vielleicht fällt die Entscheidung sogar schon im Februar. Dieser halbe Erfolg ist nicht das Verdienst von Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann (Grüne). Er hatte sich nie klar hinter das wegweisende Urteil des Verwaltungsgerichts gestellt. Stark gemacht für saubere Luft haben sich stattdessen die Campact-Aktiven – und damit den Teilgewinn eingefahren: 29.000 Campact-Aktive aus Baden-Württemberg forderten, das Saubere-Luft-Urteil anzuerkennen. Die Unterschriften übergaben Campact-Aktive dem Ministerpräsidenten am 15. September in Karlsruhe.

Die grünen Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand traten anlässlich einer Campact-Appellübergabe am 27. September dafür ein, das Urteil anzunehmen.[1] So sprach sich schließlich auch die grüne Landtagsfraktion am 26. September dafür aus, gegen das Urteil nicht in Berufung zu gehen und keine Sprungrevision einzulegen.[2] Es war erschreckend zu sehen, wie stark Kretschmann im Gespräch die Argumentation der Auto-Industrie übernommen hat. So behauptete er gegenüber unseren Aktiven, es dauere viel zu lange, Diesel-Autos nachzurüsten. Dabei sieht das noch nicht einmal der ADAC so. ADAC-Technikchef Reinhard Kolke sagt: Für Diesel deutscher Hersteller mit der Abgasnorm Euro 5 gebe es bereits fertige Abgasreinigungssysteme, die direkt eingesetzt werden könnten.[3]

Im schlimmsten Fall müssen die geplagten Anwohner/innen und Diesel-Kund/innen auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch ein Jahr lang warten.[4] Wird das Urteil bestätigt, gibt es Fahrverbote für Diesel-Stinker – falls die Landesregierung es in der Zwischenzeit nicht schafft, die Luft in den Städten so sauber werden zu lassen, wie es das Gesetz verlangt. Es geht nicht anders: Ministerpräsident Kretschmann muss sofort konkrete Maßnahmen für saubere Luft durchsetzen.

Das fordert auch die Deutsche Umwelthilfe, die gegen das Land Baden-Württemberg wegen der dicken Luft in Stuttgart geklagt hatte.[5] Er könne mit der Entscheidung der Landesregierung für eine Sprungrevision leben, sagt deren Geschäftsführer Jürgen Resch: „Es kann aber nicht sein, dass den von Dieselabgasgiften betroffenen zehntausenden Menschen im Stuttgarter Kessel ein weiterer giftiger Diesel-Winter zugemutet wird.“ Auch er will deshalb jetzt nicht locker lassen – das können wir nur unterstützen!

Maritta Strasser, Teamleiterin Kampagnen

PS: Bei der Ratifizierung des kanadischen Handelsabkommens CETA kommt es wegen der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat auf Baden-Württemberg an. Hier muss die Entscheidung zwischen den Werten, für die die Grünen schon mal klarer standen, und den Industrie-Interessen anders ausfallen.

[1] Facebook-Account von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Baden-Württemberg, Meldung vom 27. September 2017
[2] Landesregierung streitet über Berufung gegen Diesel-Urteil“, FAZ online, zuletzt aktualisiert am 28. September 2017
[3] „Hardware-Umrüstungen für Diesel funktionieren doch“, Süddeutsche Zeitung, 22. September 2017
[4] „Grün-Schwarz ringt mit Fahrverbot-Problem“, Heilbronner Stimme, 29. September 2017
[5] Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe e.V. vom 2. Oktober 2017

07.10.2017 - 14:00