Stadt Heidelberg will Walpurgisnacht verbieten

Gutachten: Unverantwortbare Risiken

9.11.2017  pahd    Die Stadt Heidelberg wird die sogenannte Walpurgisnachtfeier auf der Thingstätte künftig untersagen. Die Stadt zieht damit die Konsequenzen aus mehreren bedenklichen Vorfällen in der jüngeren Vergangenheit – zum Beispiel ein Schwerverletzter sowie ein Waldbrand.
[bilder: rothe]

Das Event mit bis zu 15.000 Besucherinnen und Besuchern auf dem Heiligenberg hat keinen offiziellen Veranstalter oder ein grundlegendes Sicherheitskonzept. Eine von der Stadt in Auftrag gegebene Gefährdungsbeurteilung hat nun eine Reihe von hohen, zum Teil auch unzumutbaren Gefahrenquellen aufgezeigt.

„Wir können die Gesundheit und die Sicherheit der Menschen nicht gewährleisten. Das Gelände ist unübersichtlich, nicht ausgeleuchtet, es gibt unzählige Sturzfallen und keinerlei Organisationsstruktur. Die jüngsten Ereignisse und erforderlichen Sicherheitsanforderungen sowie die nun vorliegende Gefährdungsbeurteilung zeigen ganz klar, dass das Risiko dieses Events sowohl für die Besucherinnen und Besucher als auch für die Stadt nicht länger zu verantworten ist. Die Walpurgisnachtfeier ist ein untragbares Sicherheitsrisiko geworden und wir haben keinen Ermessensspielraum mehr, die Untersagung ist zwingend“, erklärt Bürgermeister Wolfgang Erichson.

Die Stadt Heidelberg ist nicht nur als Eigentümerin der Thingstätte in der Pflicht – sie trägt als Ortspolizeibehörde auch die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit. In der Vergangenheit hatte die Stadt zwar Vorkehrungen getroffen, um ein Mindestmaß an Sicherheit für die Besucherinnen und Besucher zu schaffen. Für einen Notfall reicht dies aber nicht aus.

Gefährdungsbeurteilung: 23 Kategorien, 17 mal höchste Risikostufe
Zu diesem Schluss kommt auch die Gefährdungsbeurteilung der Firma Event Consult Europa. Der aktuelle Zustand sei für die Stadt Heidelberg und für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben nicht hinnehmbar. „In der Gesamtbetrachtung ist das Happening baulich und organisatorisch als mangelhaft einzustufen und kann in dieser Form auf keinen Fall weitergeführt werden“, heißt es im Fazit der Beurteilung.

Event Consult Europa hat für sein Gutachten 23 Kategorien begutachtet – von der Geländebeschaffenheit über Zu- und Abgangswege bis hin zum Besucherverhalten oder einer eventuellen Räumung des Areals im Schadensfall. Bei 17 Kategorien sehen die Gutachter „nicht zu vertretende und kalkulierbare Risiken“ – das ist die höchstmögliche von sechs Risikostufen.

Als besonders kritische Punkte nennt das Gutachten:

    Kein offizieller Veranstalter und kein organisierter Ablauf
    Unkontrollierte Feuerstellen im Waldgebiet mit hoher Brandgefahr
    Vielzahl von Sturzstellen und Stolperfallen auf dem Gelände
    Kein System für Zu- oder Ableitung von Besuchern, kein System von Rettungs- und Fluchtwegen
    Keine Beleuchtung

Gefahrenvorsorge für die Walpurgisnacht 2018
Um die Untersagung der Walpurgisnachtfeier auch wirksam durchsetzen zu können, wird die Thingstätte in der Nacht zum 1. Mai 2018 mit einem mobilen Zaun abgesperrt und von einem Sicherheitsdienst bewacht. Zudem werden konkrete Gefahrenquellen ausgeleuchtet, um Personen, die im Vorfeld nichts über die polizeirechtliche Untersagung der Veranstaltung erfahren haben, zu schützen. Zusätzlich sollen eine verstärkte Polizeipräsenz und die Anwesenheit städtischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Sicherheit sorgen. Die mobile Zaunanlage wird nach dem 1. Mai wieder abgebaut, so dass die Thingstätte wieder frei zugänglich ist.


Hintergrund: Die Heidelberger Thingstätte auf dem Heiligenberg ist ein Beispiel für nationalsozialistische Architektur und eine nach dem Vorbild antiker griechischer Theater errichtete Freilichtbühne. Die Thingstätte wurde von 1934 bis 1935 vom Reichsarbeitsdienst und Heidelberger Studenten erbaut. Die Bühne sollte vor allem für Propagandaveranstaltungen genutzt werden. Doch schon bald verloren die Nationalsozialisten das Interesse an der Anlage. Während des Zweiten Weltkriegs war die Thingstätte weitgehend ungenutzt. Heute ist die Thingstätte ein Kulturdenkmal, das für Touristen, Wanderer und Waldspaziergänger frei zugänglich ist. Sie verfügt über keine baulichen Anlagen und ist weder eingezäunt noch beleuchtet.

 

09.12.2017 - 15:15