campusgrün: Numerus Clausus im Fach Medizin teilweise verfassungswidrig - trotz Veränderung keine Lösung

19.12.2017   Das Bundesverfassungsgericht hat im heutigen Urteil entschieden, dass die bisherige Vergabepraxis von Studienplätzen im Fach Medizin teilweise verfassungswidrig ist. Konkret verletzt die aktuelle Vergabepraxis nach Auffassung der Richter*innen den grundrechtlichen Anspruch der Studienplatzbewerber*innen auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot.

Damit verstößt die Vergabepraxis gegen das Grundrecht auf freie Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte (Art. 12 GG) sowie den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG). Eine Neuregelung, die mindestens zwei weitere Kriterien neben der Abiturnote vorsehen soll, muss daher bis Ende 2019 gefunden werden.                           

Doch das Kernproblem besteht weiter!
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weist zwar auf den seit Jahrzehnten bestehenden Missstand hin, ändert jedoch nichts am Kernproblem "zu wenige Studienplätze gemessen an der Anzahl der Studieninteressierten". Da zurzeit nicht von einer zeitnahen Problembehebung auszugehen ist, müssen andere Vergabekriterien für die Zulassung gefunden werden. Doch auch andere Kriterien - insbesondere die vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagenen "Eignungsprüfungsverfahren" - führen nicht zwingend dazu, dass jede Studienbewerber*in eine "reelle Chance" auf eine Studienplatz erhält.   

Eignungstest auch nicht besser als Numerus Clausus
Campusgrün begrüßt zwar einerseits die Einschätzung, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit und der allgemeine Gleichheitsgrundsatz durch eine solche Zulassungspraxis unterminiert wird. "Andererseits haben wir aber auch große Bedenken gegenüber den anderen Instrumenten und Maßnahmen, die zukünftig verstärkt zur Begrenzung von Studienplätzen genutzt werden sollen.", erklärt Anika Schmütz, Bundessprecherin von Campusgrün. Darunter zählt auch das jetzt vorgeschlagene "Eignungsprüfungsverfahren" - ein bereits häufiger an Stelle der Abiturnote verwendetes Instrument - bei dem vorgeblich vor allem "soziale und kommunikative Fähigkeiten sowie die Leistungsbereitschaft der Studienbewerber*innen" überprüft werden sollen. "Solche Eignungstests lehnen wir ebenfalls ab.

Zum einen widerspricht eine zusätzliche Eignungsprüfung der grundsätzlichen Hochschulzugangsberechtigung durch das Abitur, welche somit nicht nur die Funktion einer vorübergehenden Mangelverwaltung erfüllt, sondern darüber hinaus eine Aussage über eine grundsätzliche Eignung für einen bestimmten Studiengang unabhängig der Kapazitätsfrage trifft. Dies widerspricht unserer Meinung nach ebenfalls dem Grundrecht der Berufsfreiheit", erklärt Danny Behrendt, Bundessprecher von Campusgrün. "Außerdem werden bei solchen Auswahltests häufig als "sozial und individuell" bezeichnete Eigenschaften für die Überprüfung
der Eignung herangezogen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um individuelle Voraussetzungen, sondern um informelles Wissen und milieuspezifische Verhaltensweisen. Daher führen solche "Eignungstests" nicht zur Prüfung der "individuellen Eignung", sondern sind ein weiteres Mittel sozialer Distinktion.", ergänzt Anika Schmütz.

Anspruch auf Berufsfreiheit muss Praxis werden
Unabhängig der Frage, wie ein vorübergehender Mangel an nicht ausreichend Studienplätzen bestmöglich verwaltet werden kann, muss endlich das Ziel einer bedarfsdeckenden Ausfinanzierung der Bildung gewährleistet werden. "Es kann nicht sein, dass die Politik seit über 50 Jahren keinen Weg findet allen Menschen die Wahrnehmung dieses Grundrechts zu garantieren!", so Danny Behrendt weiter. "Auch, wenn dafür Geld in die Hand genommen werden muss, darf Bildung nicht länger den Status einer Mangelverwaltung haben. Das heutige Urteil zeigt zwar, wie gravierend der Mangel an Studienplätzen in vielen Fächern ist, wird aber das grundsätzliche Problem nur verschieben statt es zu lösen", so Anika Schmütz´abschließend.

27.12.2017 - 13:30