Sven Giegold: Erste umfassende Studie zeigt: EU-Mercosur-Abkommen ist unvereinbar mit Pariser Klimaabkommen

19.1.2020   Soeben wurde die überhaupt erste umfassende Studie zu Inhalt und Auswirkungen des Handelsabkommens zwischen der EU und den Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay veröffentlicht. Im Auftrag der Grünen Europaabgeordneten und Handelsexpertin Anna Cavazzini und der NGO PowerShift werten die renommierten argentinischen Handelsexpert*nnen Dr. Luciana Ghiotto und Dr. Javier Echaide die Vereinbarungen und Maßnahmen des tausende Seiten starken Abkommens aus.

Ihr Fazit: Das EU-Mercosur-Abkommen ist mit dem Pariser Klimaabkommen nicht vereinbar.

Sollte das Abkommen ratifiziert werden, rückt das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 in weitere Ferne. Denn das Abkommen sieht vor allem vor, dass die Mercosur-Länder landwirtschaftliche Produkte wie Fleisch und Bioethanol leichter in die EU exportieren können, und im Gegenzug diese Länder vor allem Autos, Maschinen und Chemikalien aus der EU importieren. Damit zementiert das Handelsabkommen eine nicht-nachhaltige Wirtschaftsweise, produziert mehr Emissionen und heizt damit den Klimawandel an. Dadurch gefährdet das Abkommen auch regionale Wirtschaftskreisläufe und damit die Lebensgrundlage vieler Menschen in den Mercosur-Ländern. Dazu wird die Abholzung des des Regenwaldes weiter gefördert. Und durch geringere Zollkontrollen bei gleichzeitig mehr Fleischimporten wird es zwangsläufig zu Problemen bei der Einhaltung von Standards kommen, z.B. beim Einsatz von Pestiziden und Gentechnik.

 Zwar findet sich im Nachhaltigkeitskapitel des Abkommens ein Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen, doch die konkreten Handelsvereinbarungen stünden dazu im eklatanten Widerspruch, so die Autor*innen. Anders als die Vereinbarungen zur Handelsliberalisierung ist das Nachhaltigskeitskapitel nicht sanktionsbewährt, bei Nichteinhaltung drohen also keine Konsequenzen. Das gleiche gilt für die Ebenfalls dort verankerten Regelungen zu Sozial- Arbeits- und Umweltstandards, die nicht einklagbar sind. Dieser grundlegende und gewollte Konstruktionsfehler lässt sich in allen EU-Handelsabkommen finden. Er zeigt: Nur der freie Handel wird geschützt, das Recht auf eine saubere Umwelt und faire Arbeitsbedingungen steht hingegen an letzter Stelle.

Aber vielleicht gibt es Hoffnung: In der gestrigen Abstimmung zum European Green Deal hat sich eine Mehrheit des Europaparlaments erstmals dafür ausgesprochen, dass die Nachhaltigkeitskapitel zukünftig bindend werden. Das ist ein Erfolg für uns Grüne und besonders auch die Zivilgesellschaft, die sich seit Jahrzehnten beharrlich dafür einsetzt.

 Wir fordern, dass die EU-Kommission diese Entscheidung schon im EU-Mercosur-Abkommen umsetzt und die Klima-, Umwelt- und Sozialstandards verbindlich und einklagbar macht. Die neue Türkis-Grüne Bundesregierung in Österreich hat auch schon angekündigt, dass Österreich dem Abkommen in seiner jetzigen Form nicht zustimmen wird. Damit steht das Mercosur-Abkommen auf der Kippe. Denn im Europaparlament ist die Mehrheit für das Abkommen nicht mehr gewiss. Und im Rat der Mitgliedsländer braucht das Abkommen sogar die Einstimmigkeit. Die EU-Kommission hat jetzt die Gelegenheit den Worten Taten folgen zu lassen und EU-Mercosur neu zu verhandeln!

Die heute veröffentlichte Studie macht deutlich, dass es hier nicht nur um ein Abkommen geht, sondern die Einhaltung der Pariser Klimaziele. Wenn die EU-Kommission nicht schon zu Beginn Ihrer Amtszeit alle Glaubwürdigkeit verlieren, muss sie jetzt handeln.

 Mit entschlossenen Grüßen
Ihr und Euer Sven Giegold
P.S.: Am 28.1. um 16:30 Uhr veranstaltet Anna Cavazzini mit den Autor*innen der Studie ein Webinar und freut sich über Eure Anmeldung: https://attendee.gotowebinar.com/register/4169875162845919245
Hintergrund

Alle Informationen und Links zur Studie auf der Homepage von Anna Cavazzini: https://www.annacavazzini.eu/?p=1837
Speziell zu den landwirtschaftlichen Maßnahmen und Auswirkungen die Studie von Martin Häusling (ab 17.1.): https://www.martin-haeusling.eu/

19.01.2020 - 10:45