IPG: Wetten auf die Klimakrise

07.07.2020   Adam Tooze  Der Markt setzt darauf, dass die Politik die Dekarbonisierung Europas wirklich will. Die Corona-Rezession könnte diese Dynamik noch stoppen.
Die Ausprägung eines weltweiten Klimabewusstseins in den 1980er Jahren fiel mit der Revolution der freien Märkte zusammen, die auch als Neoliberalismus bekannt ist. ... Die Umweltpolitik orientierte sich folgerichtig an rein marktorientierten Lösungen und konzentrierte sich auf den Emissionshandel.

Man verließ sich auf den Preismechanismus, um den schwerfälligen Tanker unserer modernen Wirtschaft in eine neue Richtung zu steuern. Dreißig Jahre später, da sich das Tempo der Klimakrise beschleunigt, ist es vorbei mit den zuversichtlichen Annahmen, die den politischen Diskurs der 1980er und 1990er Jahre prägten. Wir verstehen uns heute nicht mehr als Kapitäne eines Riesenschiffes, sondern gleichen, wie Jörg Haas von der grünen Heinrich-Böll-Stiftung argumentiert, eher einem Rallyefahrer, der in eine enge Kurve rast und verzweifelt versucht, das Auto heil durchzubringen. Um im Powerslide durch die Kurve zu kommen, müssten wir gleichzeitig bremsen, lenken und beschleunigen.

Wenn es uns die Finanzkrise 2008 und ihre Folgen nicht schon gelehrt hätten, so würden wir aus der Covid-19-Krise lernen, dass, wenn der Status quo ernsthaft in Gefahr ist, das Motto einer modernen Regierung lautet: „Alle Hebel in Bewegung setzen.“ Angesichts von Ausmaß und Dringlichkeit der Klimakrise müssen wir auch dafür einen gleichermaßen radikalen Ansatz fordern.

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07.07.2020 - 15:45