klimareporter: Der CO₂-Preis kann kein Leitinstrument sein

Ein schwarzer Ballon mit der Aufschrift 23.1.2021   Selbst CO2-Preise bis 100 Euro je Tonne haben bisher kaum Investitionen ausgelöst und die Energiewende vorangetrieben, kritisiert Johan Lilliestam, Energieexperte am Institut für trans­formative Nachhaltigkeits­forschung IASS in Potsdam. Entscheidend ist für ihn ein gezielter Policy-Mix, der auch "weiche" Faktoren berücksichtigt. (Foto: Benjamin von Brackel)

Lange wurde um darum gekämpft, dass der Ausstoß von Kohlendioxid einen Preis bekommt. Manche damit verbundenen Hoffnungen könnten sich als Luftblase erweisen.

Klimareporter°: Herr Lilliestam, laut Ihrer Studie wirken selbst hohe CO2-Preisen nicht so stark wie erhofft. Dabei hat der EU-Emissionshandel doch schon für viel Bewegung im Strommix gesorgt – trotz relativ geringer Preise von 25 bis 30 Euro je Tonne CO2 scheint eine ökonomische Schmerzgrenze für die fossile Energiegewinnung erreicht. Widerspricht das nicht Ihrer Studie?

Johan Lilliestam: Solche Grenzen gibt es ganz sicher. Ab einem bestimmten Preis ändert sich die Reihenfolge: Bei niedrigen CO2-Preisen ist Kohlestrom billiger als Gasstrom. Irgendwann aber kommt der Punkt, an dem sich das umdreht. Das ist in den letzten Jahren im europäischen Stromsektor vermutlich passiert und erklärt zu einem Teil den Niedergang der Kohlekraft, zum Beispiel in Großbritannien und Deutschland.

Der Vorgang zeigt, dass CO2-Preise einen wichtigen Effekt auslösen können: Sie können helfen, nicht mehr gewünschte CO2-intensive Technologien aus dem System zu drängen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine Alternative bereitsteht, um die Lücke zu füllen. Im Stromsektor war und ist das der Fall: Der wegfallende Kohlestrom wird durch Strom aus Erneuerbaren und aus Gas von bestehenden Anlagen ersetzt. Unsere Untersuchung konnte aber nicht bestätigen, dass CO2-Preise Investitionen in CO2-freie Technologien auslösen.

Klimapolitik baut seit jeher darauf, CO2-Preise und den Abbau fossiler Subventionen mit Anreizen für Investitionen und Innovationen zu kombinieren. Das ist eigentlich nicht neu. Die Frage ist, wie sich das Verhältnis zwischen der preislichen Verteuerung und den Anreizen gestaltet. Was hat Ihre Studie da ergeben?

Dass es auf beides ankommt, ist richtig. Es ist auch nicht zu erwarten, dass wir ein so komplexes Problem wie die Klimaerwärmung durch ein einziges Instrument lösen können. Unsere Studie zeigt aber, dass CO2-Preise allein bisher nicht die dringend nötigen Investitionen in CO2-freie Technologien ausgelöst haben. Es gibt keine empirischen Belege, dass ein CO2-Preis allein oder, wie oft vorgeschlagen, als "Leitinstrument" das Problem lösen kann.

Stattdessen muss ein sektorspezifischer Mix von Maßnahmen her, der gezielt auf die tatsächlichen Hindernisse gerichtet ist. Oft stehen andere Barrieren als Kosten dem Systemwandel im Wege. Im Mobilitätssektor zum Beispiel behindern nicht allein die Kosten von E-Autos die Verkehrswende, sondern auch der Mangel an Ladestationen. Dem kann durch eine CO2-Steuer nicht abgeholfen werden, wohl aber durch Einnahmen aus der CO2-Steuer, wenn diese richtig investiert werden.

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23.01.2021 - 11:30